Aus dem Alltag eines DJs - Dezember 2017
Hier stelle ich in mehr oder weniger regelmäßig ein Schmuckstück aus meiner Sammlung vor. Wer bei den Kommentierungen zu den Platten weitestmögliche Objektivität erwartet, hat natürlich Pech gehabt. Ich bitte daher vorsichtshalber schon mal um Entschuldigung, sollte ich jemandes Lieblingskünstler unsachgemäß erwähnen. Ist fast nie ernst gemeint.
Unterstützt den lokalen Plattenhandel, z.B. das Plattenzimmer in Weingarten oder Isle of Records in Lindau.
Die Platten des Monats der Vorjahre gibt's auf den separaten Archivseiten (siehe die entsprechenden Untermenüpunkte).
The Teskey Brothers
- Half Mile Harvest (2018) -
The Teskey Brothers sind eine australische Bluesrock-Band, doch auf Ihrem Debutalbum Half Mile Harvest von 2018 hält sich das Bluesgerocke in engen Grenzen. Stattdessen gibt es herzzerreißende Balladen der soulig-samtigen Sorte, meist im 3/4 bzw. 6/8-Schunkeltakt, was dann doch wieder bisschen weniger nach Soul und mehr nach Blues klingt. Hört Euch Crying Shame, Say you’ll do und Pain and Misery an. Ja, alle drei zum Verwechseln ähnlich, aber soooo viel Verzweiflung in der Stimme. Man beachte auch die filigrane Solo-Arbeit von Sam Teskey an der E-Gitarre und die Mundharmonika im dann doch sehr bluesigen Honeymoon. Kurzum: eine herrliche Mischung aus Bluesband und Soulstimme! Beim Probehören im Laden war es komplett um mich geschehen, nachdem Josh Teskey den ersten Ton gesungen hatte. Die Platte hat seitdem einen festen Platz in meiner "Soul'ish"-Kiste! Wem nach mehr "Soul'ish" zu mute ist, der höre hier rein.
[Jochen Praefcke]
Joe Tex - He who is without Funk
cast the first stone (1978)
Der Preis für den biblischsten Plattentitel geht hiermit an Joe Tex für sein 1978er-Album He who is without Funk cast the first stone. Herrlich. Warum er allerdings auf dem Plattencover versucht, sich selbst und sein lustig verkleidetes Gefolge mit einen übergroßen Schaschlik-Spieß zu erstechen, bleibt unklar. Wikipedia weiß über Joe Tex, dass seine Lieder „einfach verständliche Soulsongs“ waren. Was soll ich sagen … es stimmt! Sehr eindrucksvoll zeigt dies z.B. das sehr selbstsicher geratene „How do you spell relief“:
"How do you spell ‚relief‘? S - E - X
And who’s gonna give you ‚relief‘? Mr. T - E - X“.
Was wiederum die Wahl des Künstlernamens nachvollziehbar macht, denn Joe Tex reimt sich einfach besser auf Sex als Joseph Arrington Jr. Die Platte ist jedenfalls über weite Strecken ein Garant für gute Tanzlaune, insbesondere die erste Seite ist extrem stark. Neben dem bereits genannten, wenig subtilen „How do you spell relief“ finden sich hier auch noch „Loose caboose" und „Finger popped myself into the poor house", zu denen sich ganz hervorragend in Funky Disco Manier das Tanzbein schwingen lässt.
[Jochen Praefcke]
Juni 2023
James Brown, It's a New Day, so Let a Man Come in, 1970
Polydor, PD 1095
James Brown - It's a New Day, so Let a Man Come in (1970)
Wenn man das Oeuvre des James Brown (nicht sonderlich fachmännisch) in Phasen einteilt, ergibt sich um 1970 herum ein Übergang von der schmuse-souligen Mr. Dynamite-Phase in die funkige (und irreführend betitelte) Godfather of Soul-Phase. Der 1967 mit Cold Sweat geborene Brown’sche Funk Sound wurde immer dominanter und löste Songs á la Try me oder Please, Please, Please ab - gut so, denn ehrlich gesagt gibt’s für Liedgut letzterer Art bessere Interpreten (rein subjektiv betrachtet, versteht sich). Sein 29. Studio-Album namens "It’s a New Day - So Let a Man Come in“ erschien 1970 und macht den Übergang mehr als deutlich. Letzte Ausläufer der alten Phase - If I ruled the world, Georgia on my mind und eine weitestgehend in Vergessenheit geratene Version von It’s a man’s (man’s man’s) world - gesellen sich zu Funk Grooves der Extraklasse: It's a New Day, Let a Man Come In and Do the Popcorn, und Give It Up or Turn it a Loose. Meine persönlichen Höhepunkte sind aber zwei geradezu dramatische Soul-Nummern, bei denen sich der Godfather nicht nur stimmlich auf seinem Höhepunkt zeigt, sondern auch psychologisch und politisch Stellung bezieht: The Man in the Glass und I'm Not Demanding. Die Band und das übergroße Arrangement der beiden Songs sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben.
[Jochen Praefcke]
April/Mai 2023
Roger Damawuzan, Seda, 2023
Hot Casa Records
Roger Damawuzan - Seda (2023)
Ich musste unweigerlich an James Brown denken, als ich die 2023er-Platte Seda von Roger Damawuzan das erste Mal hörte. Und siehe da, das Internet kennt den Herrn als „James Brown of Lomé“ (Hauptstadt von Togo; für alle, die das wie ich bisher ignoranterweise nicht wussten). Ohne Übertreibung ist die Platte meine Lieblings-Persönliche-Neuentdeckung der letzten Jahre. Die Platte als „tanzbar" zu bezeichnen wäre maßlos untertrieben. Widerstand zwecklos trifft es eher. Spielfreude, Groove und geniale Musiker so weit die Ohren reichen. Und für die auto-philen unter uns gibt’s noch ’nen schönen Citroen 2CV auf dem Cover zu bestaunen. Zehn Lieder, zehn Volltreffer. Da kann ich bei den Anspieltipps fast den Zufallsgenerator entscheiden lassen (sucht Euch also gerne selber was aus). Der wichtigste Tipp: wenn Ihr nur eine Funk-Platte im Leben kaufen wollt, kauft DIESE. Wenn ich mal 70 Jahre alt bin, will ich auch ein solches Album aufnehmen.
[Jochen Praefcke]
Michael Kiwanuka - Love & Hate (2016)
Meine totale Radio-Abstinenz hat mich aufs Glatteis geführt: ich dachte, ich hätte da eine ganz besonders seltene Perle zu Tage gefördert. Dabei war das Album Love & Hate von Michael Kiwanuka 2016 doch tatsächlich auf Platz 1 der Charts auf dem Eiland formerly known as EU-Mitglied und auf Platz 4 in Deutschland. Verrückt. Wie auch immer, der Kerl und das Album haben ihren ganz eigenen, faszinierenden Vibe. Viele der Songs sind atmosphärische Juwelen, die einen tief in ihren Bann ziehen. Man braucht mitunter schon etwas Geduld, z.B. für das minutenlange, Pink Floyd-eske Intro zu Cold little heart. Man wird dann mit einem der herzerwärmendsten Grooves der letzten Jahre belohnt (für Ungeduldige: bei 04:30 fängt’s richtig an). Danach geht’s mit Black man in white a world nicht nur politisch brisant, sondern auch äußerst worldmusic-funky weiter. Und hört unbedingt in I’ll never love rein - ein wunderschönes und tieftrauriges Crossover-Meisterwerk. Sagen wir mal: Bon Iver trifft auf Soulmusik.
[Jochen Praefcke]
Free Love - Free Love (1979)
„Super rares Soul-Album. Das einzige Soul-Album, welches bei Emkay Records aus Los Angeles veröffentlicht wurde. Die Band wurde von Philip Westmoreland geleitet und stammte aus St. Louis“. So, das war’s. Das gesamte Internet weiß nicht viel mehr über die Band Free Love und ihr ebenso Free Love betiteltes Album von 1979. Auf welcher Seite man auch schaut, immer nur diese paar dürftigen Sätze. Der Name der Mitwirkenden ist natürlich auch noch bekannt, aber sonst: tote Hose. Wir müssen also die Musik für sich sprechen lassen. Nun hat das Album zugegebenermaßen Durchhänger, aber allein das sommerlich-lässig-funkige Pushin' to the top macht alles wett (auch wenn es nur knapp über 2 Minuten dauert). Außerdem sind zwei sehr legere Instrumentals zu hören, namentlich Pauls’s song und Snoot Suite. Außerdem seien Euch die gutlaunigen This ain’t living und I've been a good man zum Anhören empfohlen.
Unnötig zu erwähnen, dass es keinen der Songs auf YouTube gibt. Schaut bei Bandcamp rein, dort kann man alle Songs in voller Länge hören (und das Album kaufen).
[Jochen Praefcke]
Dschinn - Dschinn (1972)
Pell Mell - Marburg (1972)
Was haben die beiden Platten des Monats miteinander zu tun? Nun, die Bands Dschinn und Pell Mell sind beide (weniger geläufige) Vertreter des Krautrock-Genres, beide stammen zudem aus Marburg in Hessen, und beide Alben - Dschinn (von Dschinn) und Marburg (von Pell Mell) - wurden zudem 1972 veröffentlicht. Und beide Bands machen hervorragenden, atmosphärisch interessanten Psychedelic Rock. Die Anspieltipps sind wie folgt:
Von Dschinn:
Von Pell Mell:
[Jochen Praefcke]
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