"Ich kenn' ja nix von der, aber meine Freundinnen da hinten

würden echt gerne was von Helene Fischer hören."

Aus dem Alltag eines DJs -  Dezember 2017


Platte des Monats (2022)

Hier stelle ich in mehr oder weniger regelmäßig ein Schmuckstück aus meiner Sammlung vor. Wer bei den Kommentierungen zu den Platten weitestmögliche Objektivität erwartet, hat natürlich Pech gehabt. Ich bitte daher vorsichtshalber schon mal um Entschuldigung, sollte ich jemandes Lieblingskünstler unsachgemäß erwähnen. Ist fast nie ernst gemeint.

 

Unterstützt den lokalen Plattenhandel, z.B. das Plattenzimmer in Weingarten oder Isle of Records in Lindau.

 

Die Platten des Monats der Vorjahre gibt's  auf den separaten Archivseiten (siehe die entsprechenden Untermenüpunkte). 


November 2022

Mavis Staples & Levon Helm, Carry me home (2022)

Recorded in 2011

Anti-

 

 

 

Mavis Staples & Levon Helm

- Carry me home (2022)

Levon Helm, seines Zeichens Schlagzeuger und Teilzeit-Sänger von The Band, gilt als einer der Urväter des Americana-Sounds. Um die Behandlungskosten seiner Krebserkrankung stemmen zu können, begann er 2002 eine Konzertreihe in seiner Scheune, zu der immer wieder befreundete Stars eingeladen wurden. Und 2011 - nur ein Jahr vor Levon Helms Tod - folgte die großartige Mavis Staples seiner Einladung. Die beiden hinterließen uns mit 'Carry Me Home' ein herzerwärmendes Doppelalbum der Extraklasse. Jeder steuert bei, was er bzw. sie am besten kann: satter, warmer Americana-Rock-Sound einerseits, und vor Soul nur so triefender Gesang andererseits. Geschmackvolle Bläsersätze und Background-Gesang dazu, fertig ist die musikalische Kuscheldecke. Heizung aus, Plattenspieler an! Die Songs bewegen sich gekonnt zwischen Soul, Gospel und Blues. Mein persönlicher Groove-Höhepunkt der Platte ist When I go away. Wer es explizit soulig mag, sollte in Wide river to cross reinhören. Den Gospel-Fans sei Farther along ans Herz gelegt. Doch lieber bluesig? Bitteschön: You gotta move und This may be the last time

Das unvermeidliche Finale des Konzerts bildet The weight, also jener The Band-Klassiker, welcher die beiden überhaupt erst zusammengebracht hatte.  Für den Soundtrack zum Konzertfilm 'The Last Waltz' hatten The Band damals die Staples Singers eingeladen und damit die beste Fassung des Songs überhaupt geschaffen - damals nicht nur mit Mavis Staples, sondern auch noch mit dem 2000 verstorbenen Pops Staples. Und dem bereits 1999 verstorbenen Rick Dank - was für ein Musiker. Ein einzigartiges musikalisches Zeitzeugnis.

[Jochen Praefcke]



Oktober 2022

Sam & Dave, Back at 'cha (1974/1975)

United Artists UA-LA524-G

 

 

 

 Sam & Dave - Back at 'Cha (1974/1975)

Die großen Hits von Sam & Dave - wegen Ihrer mitreißenden Live-Show auch Double Dynamite genannt - aus Jahren 1966 bis 1968 sind allseits bekannt (siehe auch die neue Soul Duo-Playlist), während das Album Back at 'cha von 1974/1975 (also ca. 5 Jahre nach erstmaliger Auflösung des Duos) ein relatives Schattendasein fristet. Dabei hat das Album einiges zu bieten, sowohl Licht als auch Schatten. Die gesangliche Zusammenarbeit beider Herren - Sam Moore quasi oben (Tenor) und Dave Prater quasi unten (Bariton/Tenor) - liefert wie immer schon formidable Gänsehaut. Der Sound der Band ist mitsamt Bläsersätzen über jeden Zweifel erhaben, spielt doch die halbe Studio-Stammbesetzung des Stax-Studios mit. Die Songs, nun ja, wie soll ich es sagen ... decken von ‚Wow‘ über ’OK‘ bis ‚Warum um alles in der Welt?‘ ein recht breites Spektrum ab. Warum so durchwachsen? Ich kann nur mutmaßen. Zum einen hatten Sam & Dave ab 1968 wegen vertraglichen Details keinen Zugriff mehr auf bewährte Stax-Ressourcen wie z.B. Isaac Hayes als Produzent oder Dave Porter (nicht zu verwechseln mit: Dave Prater) als Songwriter und Hit-Garant. Zum anderen sind manche der Songs - obwohl Sam & Dave immer schon dem eher gutlaunigen Dancefloor-Soul verschrieben waren - für mein Empfinden dann doch etwas zu oberflächlich-fröhlich. Hört Euch meine Favoriten an: When my love hand comes downBlinded by love, und Give it what you can.

[Jochen Praefcke]



August und September 2022

Kurtis Blow,

 - Kurtis Blow (1980), Mercury, 6337 137

 - Deuce (1981), Mercury, 6337 178

 

 

 Kurtis Blow - Kurtis Blow (1980) und

Deuce (1981)

Ich werde ja oft wegen meines lächerlich fantasielosen DJ Namens belächelt - da kommt mir Kurtis Blow gerade recht. Als er noch als Kool DJ Kurt auftrat, war er vermutlich auch Hohn und Spott ausgesetzt. Danach startete Kurt allerdings voll durch und wurde der erste Hip Hop-Interpret, der einen Deal bei einem der Major Labels einheimsen konnte. Wir wohnen hier also quasi der Geburtsstunde des kommerziell erfolgreichen Hip Hops bei. Die Single The Breaks vom 1980er-Album Kurtis Blow stieg als zweiter Hip Hop-Song überhaupt in die R’n’B-Top Five auf (und muss sich hier nur Rapper’s Delight von der Sugarhill Gang geschlagen geben). Das Album bietet fast durchgehend funky Hip Hop der gutlaunigsten Sorte, bei dem jeder Widerstand auf der Tanzfläche zwecklos ist. Der Sinn und Zweck der letzten beiden Songs - schnulzige Ballade und Pseudo-Rocksong - ist mehr als rätselhaft. Da dann lieber gleich das zweite Album Deuce von 1981 auflegen, auf dem es vor funky Hip Hop wieder nur so wimmelt, für meinen persönlichen Geschmack sogar noch eine Spur grooviger. Genug geredet, hier kommen die Anspieltipps: The Breaks, Rappin' Blow Part 2, Throughout your years, Hard times, The deuce und It’s getting hot.

[Jochen Praefcke]



Juli 2022

Amerigo Gazaway - James Brown & Notorious B.I.G.

The B.I.G. Payback, 2019

 

 

 Amerigo Gazaway - The Notorious J.B.'s 
James Brown/Notorious B.I.G.

The B.I.G. Payback

Der junge Mann namens Amerigo Gazaway ist uns bereits begegnet, nämlich bei der Platte des Monats vom Dezember 2019. Dieses Mal hat er sich aber nicht B.B. King angenommen, sondern zwei anderen Meistern ihrer jeweiligen Genres: James Brown und Notorious B.I.G. - Berufsjugendlichen wie mir natürlich als Biggie geläufig. Im Jahr 2019 hat Amerigo die beiden Größen auf dem Album The B.I.G. Payback zusammengebracht. Was macht der gute Amerigo denn nun genau? Er remixed in Form des Reverse Engineering, welches laut Wikipedia "heavily relies on a method of deconstructing and re-orchestrating original samples to bridge overlapping themes of two separate musician's catalogues.“ Alles klar? Lange Rede, kurzer Sinn: geiler Scheiß! Hört rein in Kick in the door (unter Verwendung von This is a man’s world) und Sex Machine Gun Funk. Wie bei letzterem das berühmte Gitarrenriff quasi ein- und ausgeschalten wird … herrlich.

[Jochen Praefcke]



Juni 2022

The Boomtown Rats,

The Boomtown Rats, 1977, 6310 950 

 

 The Boomtown Rats

- The Boomtown Rats (1977) - 

Sehr lange bevor Bob Geldof im Zusammenhang von Live Aid den Vorgänger von Bono gab, hat er 1977 mit The Boomtown Rats deren gleichnamiges Debütalbum rausgehauen. Fernab von hitparadlich-ausgelutschten Songs wie "I don’t like Mondays" (1979) oder ihrer anderen Hitsingle "Rat Trap" (1978) gibt’s hier durchgehend unterhaltsamen New Wave-Sound der meist sehr tanzbaren Sorte. Hier möchte ich den Album-Opener "Lookin’ After No. 1", den Album-Closer "Kicks" und "Never bite the hand that feeds" besonders zum Abzappeln ans Herz legen. Am anderen Ende des Spektrums gibt es mit "I can make it if you can" auch entspannteres zu hören. Und die halbschnellen Songs wie "Neon Heart" und "Close as you’ll ever be" gefallen mir am besten, wobei man bei letzterem schon viel guten Willen braucht, um ‚typischen‘ New Wave rauszuhören.

[Jochen Praefcke]



Mai 2022

Wilson Pickett,

Pickett in the pocket, 1974, RCA, APL1-0495

A funky situation, 1978, Atlantic/Big Tree Records, BT76011

 

 

Wilson Pickett

- Pickett in the Pocket (1974)

& A funky Situation (1978) -

Zugegebenermaßen war Wilson Pickett bereits in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre auf dem Zenith, mit unsterblichen Songs wie In the Midnight Hour oder mit legendären Coverversionen à la Hey Jude. Wir wollen uns heute jedoch zwei seiner Platten aus den 70er-Jahren genauer anhören, die beide kommerziell nicht erfolgreich waren - und dennoch sehr viel gute Laune verbreiten und auf keiner Soul & Funk-Tanzparty fehlen sollten!  Den Anfang macht das 1974er Album „Pickett in the Pocket“, von dem ich Euch zur Lockerung Eures Tanzbeins den Opener "Iron it Out“ oder „Take your pleasure where you find it" ans Herz legen will. Mit „Young boy blues“ ist sogar ein dramatischer Ausflug in bluesigere Gefilde im Programm. Was hatte der Mann für eine wunderbare Stimme! Ähnlich gut drauf war der Altmeister, als er 1978 das Album „A funky situation“ vom Stapel ließ. Allein der Albumtitel verdient höchsten Respekt. Hört Euch „Hold on to your hiney“ an und versucht dabei, still sitzen zu bleiben. Sehr groovige Bläsersätze (von den Muscle Shoal Horns beigesteuert) gibt’s auch bei "She’s so tight" zu hören. Und auf der B-Seite versteckt sich mit „Time to let the sun shine on me“ noch Night-Club-Soul der samtenen Sorte.

[Jochen Praefcke]



April 2022

Dire Straits,

Communiqué, 1979, Phonogram

 

Side A: Once upon a time in the west, News, Where do you think you're going, Communiqué

Side B:  Lady writer, Angel of Mercy, Portobello Belle, Single-handed sailor, Follow me home

 

Dire Straits

- Communiqué (1979) -

Als Dire Straits im Jahre 1979 ihr zweites Album „Communiqué' veröffentlicht haben, war deren Musik noch von knackig-kompaktem Pop/Rock-Songs geprägt. Danach erst entwickelten sie sich in Richtung der großen, überlangen Epen (a la Tunnel of Love von 1980, Telegraph Road von 1982 oder Brothers in Arms von 1985) und der Klangmalereien (a la Private Investigation, ebenso von 1982). Im epischen Spätwerk hingegen fiel die Qualität der wenigen knackig-kompakten Songs allerdings sehr stark ab (mit Walk of Life als absolutem Tiefpunkt - der vermutlich schlimmste Song aller Zeiten). ‚Communiqué' hingegen erlaubt sich kaum Durchhänger - ein Song besser und treibender als der andere! Zumal Mark Knopfler gitarristisch auf dem Zenith war. Gänsehaut pur, das ganze Album durch. Allein wie in Where do you think you're going gegen Ende zuerst die Rhythmusgitarre an Intensität gewinnt, und dann aus der steten Wiederholung des charakteristischen Fills letztendlich das Solo geradezu herraussprudelt ... allergrößtes Gitarrenkino! Ähnlich großartige Gitarrenarbeit gibt es in News und in Single-Handed Sailor zu hören. Das fröhliche Portobello Belle und das geradezu country-esk banale Angel of Mercy steigern die Sommerlaune in ungeahnte Höhen.

[Jochen Praefcke]



März 2022

Lindsey Buckingham & Stevie Nicks

Buckingham Nicks, 1973, Polydor

 

Side A: Crying in the night, Stephanie, Without a leg to stand on, Crystal, Long distance winner

Side B:  Don't let me down again, Django, Races are run, Lola (my love), Frozen love

 

Lindsey Buckingham & Stevie Nicks

- Buckingham Nicks (1973) -

Fleetwood Mac’s Album Rumours von 1977 ist wohl eines der genialsten Alben überhaupt, und Fleetwood Mac hatte seit den Anfängen als Blues-Rock-Band einen erstaunlichen Stilwandel durchgemacht. Wer hinter dem Wandel zu dieser genialen Pop-Rock-Melange steht, beantwortet das bereits 1973 erschienene Album Buckingham Nicks von Lindsey Buckingham und Stevie Nicks sehr eindrücklich. Beide schlossen sich nach dem kommerziellen Misserfolg des Albums im Jahre 1974 dann Fleetwood Mac an - et voila! Wer den Rumours-Sound mag, der wird auch Crying in the night, Frozen Love oder - mein Favorit der Platte - Long distance winner lieben. Geschrieben wurden alle Titel von Mr. Buckingham und Ms. Nicks höchstselbst, und auch zu Rumours haben sie dann 4 Jahre später einen großen Teil der Songs beigesteuert. Am Plattencover kann der geneigte Betrachter erkennen, dass Lindsey und Stevie 1973 noch ein Paar waren - bei Rumours waren sie bereits getrennt, was ihrer Genialität und Kreativität aber offenbar keinen Abbruch tat.

[Jochen Praefcke]



Februar 2022

Elton John, Elton John

Mercury Records

 

Tracklist: Your song, I need you to turn to, Take me to the pilot, No shoe strings on Louise, First episode at Hienton, Sixty years on, Border song, The greatest discovery, The cage, The king must die 

 

Elton John

- Elton John (1970) -

Im Jahre 1970 veröffentlichte Elton John sein zweites Album und nannte es schlicht 'Elton John'. Das Album machte ihn zum Star, und angesichts des total gefloppten Vorgängeralbums ist man versucht, dieses 1970er-Album als sein wahres Debütalbum zu betrachten. Wie danach über Jahrzehnte hinweg üblich hat Elton John die Musik geschrieben, die Texte aber stammen allesamt von Bernie Taupin. Ein grandioses Team: das Album beinhaltet mit Your song (legt die Taschentücher bereit …. my gift is my song, and this one’s for you… zum dahinschmelzen),  Take me to the pilot und dem Border Song gleich drei Lieder für die Ewigkeit - letzteres mit dem zeitlosen Appell „There’s a man over there, what’s his colour, I don’t care, he’s my brother, let us live in peace“. Dem ist auch 52 Jahre danach nichts hinzuzufügen, Mr. Taupin! Weniger geläufig, doch mindestens so hörenswert sind die orchestralen Songs Sixty years on und The king must die.  

[Jochen Praefcke]



Januar 2022

Denise La Salle, Here I am again

Westbound Records, W-209 

 

Side A: Here I am again, Married but not to each other, Share your man with me, I wanna do what's on your mind, Trying to forget 

Side B: My brand on you, Stay with me a while, Anytime is the right time, Don't nobody live here (by the name of Fool), Hit and run

 Denise La Salle

- Here I am again (1975) -

Denise La Salle bietet auf Ihrem 1975er-Album Here I am again klassischen Seventies-Soul der samtigen Sorte. Thematisch haut sie in eine Kerbe, die aufmerksame Newsletter-Abonnenten nur allzu gut von Millie Jackson kennen (siehe Platten des Monats vom März 2021): die ewige Dreiecksgeschichte. Zwei Frauen, ein Mann, das geht halt auf Dauer nicht gut. Denn der unverblümten Aufforderung Share your man with me würden wohl die wenigsten Frauen gerne nachkommen. Dahingegen würde sich mancher Mann von I want to do what’s on your mind wohl hinreißen lassen. Das Denken in Stereotypen macht das Leben so viel einfacher! Und Married, but not to each other kann man wohl am besten mit "blöd gelaufen“ ins Deutsche übersetzen. Abgesehen vom furztrockenen Titel ist der Song nicht mal sonderlich gut. Das herzzerreißende Don’t Nobody live here (by the name of fool) der offenbar emotional erstarkten Denise ist dafür explizit gut gelungen, ebenso die Ballade Stay with me a while … sehr lasziv, in der Tat. Und zu My brand on you und Hit and Run könnte man notfalls sogar das Tanzbein schwingen.

 

[Jochen Praefcke]



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