Platte des Monats - Archiv 2017

Hier findet Ihr die Platten des Monats aus dem Jahre 2017 - und außerdem vom Dezember 2016, als die Reihe ihren Anfang nahm.

 

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Dezember 2017

AC/DC - Ballbreaker

1995, EastWest/Warner, 7559-61780-2 CA 851 

Tracklist: Hard as a rock, Cover you in oil, The furor, Boogie man, The honey roll, Burnin' alive,  Hail Caesar, Love bomb, Caught with your pants down, Whiskey on the rocks, Ballbreaker 

 

AC/DC - Ballbreaker (1995) 

Fünf Jahre hatten sich AC/DC nach ihrem Party-Knaller „Thunderstruck“ von 1990 mit dem nächsten Studio-Album Zeit gelassen - und die Fangemeinde war enttäuscht. Als größter Kritikpunkt wurde und wird immer noch angeführt, die Produktion von Rick Rubin (er schon wieder … siehe Platte des Monats vom November) hätte den AC/DC-Sound zerstört, und überhaupt, die Songs seien nicht AC/DC-esk genug. Es scheint mir, als ob hier einmal jemand seinen subjektiven Eindruck veröffentlicht hat, und dann haben ALLE andere Journalisten dort abgeschrieben. Natürlich ohne die Platte selbst anzuhören. Nun gut, AC/DC selbst waren dem Vernehmen nach auch nicht ganz zufrieden. Und ja, sie klingt in der Tat nicht genau so wie die zig AC/DC-Alben davor und danach, aber für mich klingt sie einfach wie eine geile Rockplatte klingen soll - satte Bassdrum und fette Gitarrenriffs. Wer richtig scheiße klingende AC/DC-Platten hören will, hat im Repertoire von 1981 bis 1988 einiges zur Auswahl. Wo wir übrigens gerade beim Thema Gitarrenriff waren: nennt mir eine andere AC/DC-Platte der Neuzeit (also nach Bon Scotts Tod), auf der bei fünf Liedern am Stück dermaßen die Riffhölle brennt! „Burnin’ Alive“, „Hail Caesar“, „Love Bomb“, „Caught with your Pants down“ (diese Poesie …) und „Whiskey on the Rocks“ - letzteres eines der geilsten Lieder von AC/DC überhaupt, wenn auch weitestgehend unbeachtet. Schaut im Lexikon unter F wie „furztrocken brachiales Dampfhammerriff“ nach, da steht genau dieser Song. Vier Akkorde, die Macht der Young’schen Synkope  dazu, fertig. Zur obenstehenden Songliste will ich noch „The Furor“ hinzufügen (man achte auf die Bridge und den folgenden Soloeinsatz von Angus - so klingt eine perfekt eingespielte Rock’n’Roll-Maschine!). Und natürlich „Boogie Man“, den legitimen Nachfolger von „The Jack“. Den Rest kann man als Lückenfüller bezeichnen und getrost vergessen, wie das bei vielen AC/DC-Alben der Fall ist (bei anderen Bands übrigens auch). Allerdings: Nur AC/DC schafft es seit Jahrzehnten verblüffend zuverlässig, den schlechtesten dieser Lückenfüller als Single auszukoppeln und ins ansonsten Gott sei Dank veränderungsarme Konzert-Line Up aufzunehmen (hier war es „Hard as a Rock“). 

[Jochen Praefcke]

 



November 2017

Tom Petty - Wildflowers

1994, Warner Bros Records, 9362-45759-2 

Tracklist: Wildflowers, You don't know how it feels, Time to move on, You wreck me, It's good to be king, Only a broken heart, Honey Bee, Don't fade on me, Hard on me, Cabin down below, To find a friend, A higher place, House in the woods, Crawling back to you, Wake up time

 

Tom Petty - Wildflowers (1994) 

Das Album „Wildflowers“ markiert für mein Empfinden den Beginn von Tom Pettys wunderbarem Alterswerk - und das bereits 1994, da blieben dem guten Mann ja noch gut 23 Jahre, die er auch reichlich zur Veröffentlichung herrlicher Alben nutzte (über „The last DJ“ von 2002 sehen wir höflicherweise mal hinweg). Die hippe Chart- und MTV-Phase von „Full Moon Fever“ und  „Into the  Great Wide Open“ hinter sich gelassen, schien Petty hier zu seiner Berufung gefunden zu haben: dem erdigen, ehrlichen Americana-Folkrock. Das Songwriting deckt von der akustischen Folk-Ballade („Wildflowers“ und „Don't fade on me“), über krachende Classic-Rocker („Honey bee“, „Cabin down below“ und „House in the woods“) bis hin zu bombastisch instrumentierten Balladen  („Good to be King“ und „Wake up time“) die ganze Bandbreite eines Mannes ab, der dem schnellen Hit nicht mehr hinterherhecheln will. Altersweisheit nennt sich das wohl. „Wake up time“ ist mit Orchester und dem herrlich sonoren Sprechgesang im Refrain der denkbar beste Abschluss für dieses Album. Aber nicht nur Herr Petty war in Bestform. Was Produzent Rick Rubin  - in der Musikergemeinde gleichermaßen gehasst und geliebt -  hier in die Rille genagelt hat, ist schlicht genial. Natürlicher, warmer Sound wohin die Ohren reichen, man möchte geradezu darin baden. Perfekte Ausnutzung des gesamten Stereopanoramas, sanfte Orgelharmonien hier, Gitarrenarpeggien dort, man hört jedes Detail und kann quasi die Röhren in den Verstärkern glühen sehen. „Hard on me“ ist ein gutes Beispiel hierfür. Oder „Crawling back to you“, mit Klavier, Orgel, Gitarre, E-Gitarre und Chorgesang eigentlich mehr als reichlich instrumentiert, aber eben alles an seinem Platz - schwer zu beschreiben, man muss es gehört haben, herrlich. Falls jemand eine valide Ausrede sucht, um sich einen guten Kopfhörer zu kaufen, hat sie mit diesem Album gefunden.

[Jochen Praefcke]

 



Oktober 2017

Calvin Russell- Contrabendo

2010 (2007 aufgezeichnet), XIIIBis Records, 

CD 1: Are you ready, Free in freedom, Don't want to go to heaven, Midnite man, When you smile, Wild wild west, Petit gars, Different people

CD 2: The more I know, Crossroad, Behind the 8th ball, Last night, Soldier, Ain't leaving your love, Rats and roaches, I want to change the world.     

 

Calvin Russell - Contrabendo (2007/2010) 

Am Abend des 5. Dezember 2007, als dieses Konzert im Trabendo in Paris aufgezeichnet wurde, waren Calvin Russel und seine Band in Topform! Und sein Tontechniker dankenswerterweise auch - das Album klingt für eine Liveaufnahme erstaunlich gut, ehrlich und erdig, als wäre man mittendrin. Das ist ja bei Liveaufnahmen oft eben nicht der Fall, und lustigerweise klingen viele der Studioalben von Calvin Russell hingegen alles andere als gut, nämlich dünn und kühl. Aber zurück zum Konzert: 16 Tracks, viele davon von seinem damals aktuellen Studio-Album "Unrepentant", aber eben auch wunderbare ältere Songs, bis 1990 zurückgehend. Während seine Country-Rock-Shuffle-Stücke noch nie so recht bei mir zünden mochten, entwickelt sich bei Meisterwerken wie "When you smile", "Free in Freedom" und natürlich beim phänomenalen "Soldier" die ganze Calvin-Magie! Faszinierende, vom Leben gezeichnete Stimme, tolle Texte, authentischer wird’s kaum noch. Und geniale Details gibt’s oben drauf: z. B. der Übergang vom einen zum anderen Gitarristen - von der „normalen“ Gitarre zur Slide-Gitarre - beim epischen Outro-Solo von "Soldier" ist ganz großes Kino (hört mal rein bei 06:50 ungefähr)! Oder der Solo-Einsatz in "When you smile", traumhaft. Weitere Anspieltipps: das verzweifelte "Crossroads" oder der Kracher "I want to change the world" am Ende des Sets. Da waren wirklich sehr viele starke Songs im Programm an besagtem Abend in Paris.

PS - Zum Weiterhören will ich Euch das Album "Crossroad" (2000) ans Herzen legen. Auch ein Livealbum, da aber mal nur der Meister mit Akustikgitarre! 

[Jochen Praefcke]



September 2017

Woodcocks - Woodcocks

1989/1990, Still Sane Records, CD 84-9212 oder LP 08-9211

Tracklist: Worth, Raul, This old man, Lester's lament, Wagoneer, Everclear, Instrumental, Keep me sane, Tisons, Young Country    

 

Woodcocks - Woodcocks (1989/1990) 

Mir fällt keine eindeutige Kategorisierung ein, und auch keine andere Band, mit der man die Woodcocks richtig vergleichen könnte. Ich weiß nur, dass es um mich geschehen war, als ich vor rund 20 Jahren zum ersten Mal die ersten paar Takte des Openers „Worth“ hörte. Das furztrockene Gitarrenintro, dann setzt die Band ein, und dann … ja dann DIESER Gesang - hauchzart „gedoppelt“, irgendwie ungewöhnlich, verzweifelt, zerbrechlich. Genial. Es ist nicht etwa so, dass hier besonders virtuose Sänger zu Gange wären. Die ganze Platte ist aber von dieser seltsamen Atmosphäre getragen -  mal unnahbar, mal verletzlich - was eben maßgeblich von der Art der Gesangsdarbietung herrührt, bei der eine höhere Stimme eine tiefere Stimme mit minimalen Zeitversatz meist „doppelt“.  Und die episch-sphärischen Gitarrenparts tuen ihr Übriges dazu (z.B. in „Young Country“). Jedenfalls ergibt dies eine magische Atmosphäre, der man sich (jedenfalls ich mich) nicht entziehen kann. Gleich nach dem Opener geht’s mit „Raul“ weiter, anfangs mit sonorer Sprechstimme, dann wieder übergehend in dieses „Dopplungsding“, welches z.B. auch in „Lester’s Lament“ besonders gut zur Geltung kommt. Ihr seht an dem ganzen Geschwafel, dass ich  eigentlich gar nicht so recht weiß, wie ich das alles beschreiben soll. Die Kurzfassung also: Jahrhundertalbum, ANHÖREN! Das Nachfolgeralbum „The Carp Pond“ von 1992 kommt an diese Klasse diese Albums hier leider nur teilweise heran, nämlich in den fantastischen letzten drei Songs des Albums. Ah, jetzt fällt mir doch noch ein Vergleich ein: wem die Platte des Monats im März 2017 von Desiato gefallen hat, der wird mit Woodcocks vielleicht was anzufangen wissen. 

[Jochen Praefcke]



August 2017

Bobby Bland - Dreamer 

1974, BGO bzw. 2017 als Vinyl bei Bear Family, BAF 18029

Side A: Ain't no love in the heart of the city, I wouldn't treat a dog (the way you treated me), Loving' on borrowed time, The end of the road, I ain't gonna be the first to cry

Side B: Dreamer, Yolanda, Twenty-four hour blues, Cold day in hell, Who's foolin' who  

 

Bobby "Blue" Bland  - Dreamer (1974) 

Eine Zeitreise in die Mitte der 1970er-Jahre … mit allem, was dazugehört. Schon rein äußerlich: orangefarbener Anzug, lustiges Hemd, qualmende Kippe in der Hand, Bikinischönheiten im Booklet. Aber auch die Musik muss sich wahrlich nicht verstecken, eine fulminante Mischung aus Soul und 70’s-Pop/Rock. Auf den Punkt genagelte Bläsersätze, perfekter Bandsound mit Orgel, Streichern, E-Gitarren - und dann natürlich der unvergleichliche Bobby „Blue“ Bland mit seiner Gänsehautstimme! "Ain’t no love in the heart of the city", ein Klassiker - wer auf den typischen Tarantino-Soundtrack-Sound steht, wird hier seine helle Freude haben (auch wenn der gute Quentin diesen Song komischerweise noch nicht für sich entdeckt zu haben scheint). Mit "Yolanda" ist ein gern genommener Klassiker der Soul-Tanzparty mit auf der Platte. Da muss man jetzt nicht jeden Track einzeln aufzählen … einfach kein schlechter Song in Sicht! Übrigens: die Scheibe wurde soeben bei Bear Family neu als Vinyl aufgelegt, mit Gatefold-Cover und allem drum und dran. Wenn das kein Zeichen ist: kaufen, auflegen, grinsen, tanzen!

[Jochen Praefcke]



Juli 2017

The Sacred Sailors - We gave it all to you 

2004, Lonestar Records, LS-015

Side A: You my friend, Sparkling juice, Dirty man, Underworld evolution, Losing you, Clear water

Side B: We gave it all to you, Bitter tears, Dancing at the square of fame, Low time tunes, Same old song, Wake me up shake me up

 

The Sacred Sailors - Tune in Turn on

2008, Bad Reputation, BAD081001

Tracklist: I can't stand it, The best that I can, Trouble too long, It's only words, Here we go again, Peaceful and the caring, I got a fever, Broken bones, Gotta get thru, Run with me, Thank you, Nighttime

The Sacred Sailors - We Gave It All

To You (2004) & Tune In Turn On (2008)  

The Sacred Sailors aus Schweden frönen der denkbar einfachen, handgemachten Rockmusik in klassischer Besetzung - zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Gesang. So weit, so normal. Aber alter Schwede (sorry, der musste sein….): diese fünf Skandinavier und deren Songs haben einen Turboboost eingebaut, der selbst den Knight Rider alt aussehen lässt! Immer schön vorwärts und auf die Zwölf, Widerstand zwecklos. Ich wage zu sagen, das ist wie die frühen Rolling Stones -  aber in GEIL! Nix für ungut, liebe Stones-Fans, ich mag die alten Herren immer noch. Aber so unweigerlich und wild gestikulierend lostanzen wie bei "I can’t stand it", dem Opener des 2008er-Albums, muss ich selten. Und wenn ein Album schon so anfängt, das kann ja heiter werden … und das wird’s auch: da kommt nämlich fast nichts mehr nach, wo man sich nicht zwangsläufig bewegen will. Selbes Spiel beim 2004er-Album, zu hören und spüren u.a. beim Titelsong "We gave it all to you". Und spätestens hier sind die Parallelen zu den Stones gar nicht mehr zu leugnen. Für mich definitiv zwei Platten, um aus jeglichem Stimmungstief zu kommen. Los jetzt, tanzen!

[Jochen Praefcke]



Juni 2017

Ohrenfeindt

 - Rock'n'Roll Sexgott (2005), Phoenix Records - 30292

 - Mit Vollgas & Blaulicht (2007), Phoenix Records - 30512

 - Schwarz auf Weiss (2011), Phoenix Records - 31002

 - Auf die Fresse ist umsonst (2013), AFM Records - 472-9

 

Ich konnte mich diesen Monat einfach nicht für eines der vier Alben entscheiden ... und stelle deshalb alle vor.

 

 

Ohrenfeindt ... Kleine Werkschau

(4 Alben von 2005 bis 2013)

Mitten aus dem Leben, mitten in die Fresse - deutsche Alltagspoesie aus dem Hamburger Kiez trifft E-Gitarrenriffs, die direkt in der Hölle geschmiedet wurden. Ohrenfeindt wechselt zwar öfter die Besetzung als andere Bands die Gitarrensaiten, aber allesamt haben die Herren um Bandgründer, Bassist, Sänger und einzige Konstante Chris Laut (der deutsche Brian Johnson!) die synkopische Magie von AC/DC und Rose Tattoo bereits mit der Muttermilch inhaliert. Das Wichtigste aber: die Herren nehmen sich alles andere als ernst - noch nie war Vollproletentum so rundum sympathisch! Vergesst Bob Dylan, der Literaturnobelpreis gehört eigentlich nach Hamburg. Glaubt Ihr nicht? „Wir sind laut, wir sind geil, Rock’n’Roll - Reeperbahnstyle“ (aus dem identitätsstiftenden Song „Ohrenfeindt“) oder „Schuhe, Haare, Kleider, warum fragst Du mich, bin kein Schuster, bin kein Schneider, ich weiß das doch nicht!“ (aus „So viele Fragen“). Ganz groß auch der „Prokrastinationsblues“ („Manche sagen, ich sei tranig, ich selbst würd' eher sagen: cool“). Wer nicht weiß, was Prokrastination heißt, kann ja gleich mal nachschauen  … oder doch später erst. Seit dem 2013er-Album kennen wir nun auch die einzig richtige Antwort auf billige Anschnorrversuche: „Auf die Fresse ist umsonst, den Rest musst Du bezahlen“. Lange Rede, kurzer Sinn: es lohnt sich, auf die Texte zu hören. „Ich bin ein Rock’n’Roll-Sexgott, und ich hab’ gut zu tun“. Noch Fragen?

[Jochen Praefcke]



Mai 2017

Roky Erickson & The Explosives - Casting the Runes

(Live 1979 in Austin und Houston)

1987, 5 hours back, TOCK007

Side A: The wind and more, Night of the vampire, Mine mine mind, For you, You’re gonna miss me

Side B: I walked with a zombie, I love how you love me, Don’t shake me Lucifer, Bloody hammer, Stand for the fire demon

Roky Erickson & The Explosives

 - Casting the Runes - 1979 bzw. 1987

Genau so klingt die perfekte Classic Rock-Band. Punkt. Treibende Rhythmus- und Leadgitarren, die Verzerrung dreckig und röhrengemacht. Dazu der Gesang von Roky Erickson, dessen Stimme vor Authentizität Verzweiflung nur so trieft  – vergleichbar höchstens mit Fred Cole (Dead Moon, Pierced Arrrows) und Alex Harvey (Sensational Alex Harvey Band). Die Songtitel und -texte lassen die Ängste und Zustände in Rokys Innerem erahnen, die intensive Gesangsdarbietung lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Mann diese Dinge tatsächlich glaubt - was problematisch ist, wenn man sich die Songtitel mal ansieht, denn es wimmelt nur so von Zombies, Vampiren und Dämonen. Das epochale "Night of the Vampire" prägt sich für immer tief in die Hirnwindungen ein und sorgt auch beim 100. Mal noch garantiert für Gänsehaut. "Bloody Hammer" bietet Stoff für den nächsten Albtraum, und "I walked with a Zombie" fällt durch das Missverhältnis von beschwingter Melodie und Textinhalt (zudem überraschend monoton…) auf. Gefällt Euch? Zum Weiterhören sei das Studioalbum I think of demons (1980) empfohlen (auf dem Foto unten rechts), auf dem zusätzlich noch Perlen wie "White Faces" und "Two-headed dog" zu hören sind.

[Jochen Praefcke]



April 2017

King King - Reaching for the Light

2015, Manhaton Records, HATMAN 2038

Tracklist:

Hurricane, You stopped the rain, Waking up, Rush hour, Crazy,
Lay with me,  Just a little lie, Take a look, Stranger to love 

 

King King - Reaching for the Light - 2015

Verrückt, was einem heutzutage als Blues Rock verkauft wird, denn wirklichen Blues Rock der alten Schule à la Derek & the Dominos, Canned Heat oder Chicken Shack gibt’s hier nämlich gerade nicht zu hören. Dafür aber sogenannten Adult Oriented Rock (taugt manchmal auch als Schimpfwort ... ) vom ALLERfeinsten. Nach dem tatsächlich eher blues-rockigen Opener "Hurricane" wird direkt Richtung Foreigner abgebogen. Man gebe etwas Survivor und eine moderne Version von Bad Company dazu, und fertig ist die perfekte Sturm-, Drang & Heldenepos-Kiste: Drama, Baby! Die Platte vereint eine Sammlung genial eingängiger Pop-/Rock-Ohrwürmer, die allesamt durch feinsten Gitarren- und Orgelsound und Alan Nimmo's wunderbare Stimme immer stilvollendet die Kurve kriegen. Ich hab's wirklich probiert und kriege es nicht hin, bei der Bridge von "Lay with me", dem Gitarrensolo von "Take a look", oder bei "Rush Hour" und "Stranger to love" nicht über beide Backen grinsend "oh, wie geil!" zu denken. Wenn King King das epochale Frankie Miller-Cover "Jealousy" vom (schwächeren) 2013er-Album Standing in the Shadows auf diese Scheibe mit draufgepackt hätten, das wäre was … macht nix, auch so ein Hammeralbum zum rauf- und runterhören.

[Jochen Praefcke]



März 2017

Desiato

2004, Pampa Music, PM-040903

Tracklist:

Tellavision, Perikles, Take a stand, You got to, Bjoerner, Sucking gold, Wally, Injection 

PS - Auf youtube gibt’s ein paar Sachen anzuhören. Schaut genau hin, es gibt auch noch andere Bands mit dem Namen Desiato. Orientiert Euch bei Interesse einfach an den Songtiteln (siehe oben). Tellavision ist dort als „Tell a vision“ zu finden.

Desiato - 2004

Oft bin ich ein Freund kompakter Songstrukturen, kurz und knackig, auf den Punkt gebracht, keine ausufernde Dekoration notwendig. Nun, das Album „Desiato“ von der gleichnamigen Band aus Ravensburg ist das genaue Gegenteil: komplexe Kompositionen, überlange Lieder, miteinander verbunden durch … na ja, nennen wir es mal „Klangcollagen“. Freilich, es wird dabei kein Klischee ausgelassen: das alte Laut-Leise-Spiel, der Nachrichtensprecher, Regen und Alltagsgeräusche im Hintergrund, der Telefoneffekt auf der Stimme, alles da. Aber dermaßen gelungen, dass das Album für mich zum Gesamtkunstwerk wird, welches bestenfalls an einem Stück durchzuhören ist. Beim kurz in die einzelnen Lieder reinhören erschließt sich die Magie des Albums eher nicht. Beispiel: „Tellavision“. Das Eingangsriff ist ein dermaßenes Rumgefrickel, dass es fast schon die Bezeichnung Riff nicht mehr verdient. Aber dann kommt der gigantische Refrain - was für ein Hammer! Ähnlich beim Instrumental „Bjoerner“ - rund dreieinhalb Minuten atmosphärische Klangcollage und dann bricht weitere 3 Minuten die E-Gitarrenhölle los … wow. Wer noch ein Exemplar der CD finden sollte: kaufen, laut aufdrehen, Zeit nehmen, staunen!

[Jochen Praefcke]



Februar 2017

Range Rats

1985, Mississippi Records, MR-063

Side A:

Two of us, Fast freight train, Thunder road, Lonely, Prison train

Side B:

Honky tonkin, Over the gun, Range Rats Theme, Won't come back, Blues coming down, Vaya con dos

Range Rats - 1985

Man muss sich die Platte schon anhören, um zu glauben, dass es so etwas wie Garage Country-Musik wirklich gibt (und geben muss). Fred Cole war schon immer einer der faszinierendsten Songwriter - wo um alles in der Welt nimmt der Mann denn die Songs alle her, über fünf Jahrzehnte hinweg? Seit 1966 ist der Mann auf Do it yourself- und Garage Rock-Mission im Namen des Herrn unterwegs, u.a. mit den Weeds, Lollipop Shoppe, Zipper, den Rats und in letzter Zeit eben mit den legendären Dead Moon (ab 1987) und Pierced Arrows (seit 2006). Und kurz vor der Gründung von Dead Moon ließen Fred und seine Frau Toody im Jahre 1985 unter dem Namen Range Rats ihrer Leidenschaft für Country & Western freien Lauf. Gerade wenn man das anderweitige Schaffen der Eheleute Cole schon kennt, ist es faszinierend, wie nahtlos sich das Low Fi-Konzept und Mr. Coles von Whiskey und Kippen gestählte Stimme ins Country & Western-Genre übertragen lassen. Falls Ihr mal wieder eine ordentliche Gänsehaut braucht, dann ist das Eure Platte! Hört mal „Two of us“ und „Vaya con dios“ an, erster und letzter Song der Platte. Wie bitte? Ihr findet die Musik scheiße? Dann bewundert aber wenigstens das geniale Cover-Art Work: für jeden Song ein eigenes Western-Schundroman-Titelbild! So geht Trash im Jahr 9 vor Pulp Fiction.

[Jochen Praefcke]



Januar 2017

Danzig - Danzig II / Lucifuge

1990, Def American 846 375-1

Side A: Long way back from hell, Snakes of Christ, Killer Wolf, Tired of being alive, I'm the one, Her black wings

Side B: Devil's plaything, 777, Blood and tears, Girl, Pain in the world

Danzig - Danzig II / Lucifuge - 1990

Düsterer wird's nicht - sicher keine geeignete Schallplatte, um sich aus einem Stimmungstief zu holen! Die Gitarrenriffs und der von Rick Rubin produzierte Gesamtsound sind brachial (höret Tired of being alive oder Girl an und kniet darnieder!).  Dazu Glenn Danzigs unverwechselbare Stimmgewalt und - in diesem Genre eher eine Seltenheit - bei den Songs kein einziger Ausfall, sondern vielmehr ein Song stärker als der andere. Die harten Titel, die in Ihrer Trägheit unweigerlich an Black Sabbath erinnern (Shakes of Christ oder Her black wings), kontrastieren gut mit den stilleren und ... na ja, fast schon bluesig anmutenden Nummern (I'm the one oder Blood and Tears).  Und kann eine zweite Seite eigentlich stärker anfangen als mit Devil's plaything? Das ist der Stoff, aus dem Tonys und Ozzys kühnste Träume sind - ein durchgängig gutes Album! Sogar auf dem wirklich grandiosen Black Sabbath-Reunion Album von 2013 gibt's Durchhänger. Auf eine genaue Analyse der Texte von Mr. Danzig kann hingegen getrost verzichtet werden. Ansonsten gilt: laut hören! 

[Jochen Praefcke]



Dezember 2016

Frankie Miller - Full House

1977, Chrysalis 202 736-320, Artwork by Graphik.

Side A: Be good to yourself, The doodle song, Jealous guy, Searching, Love letters

Side B: Take good care of yourself, Down the honkeytonk, This love of mine, Let the candlelight shine, (I'll never) live in vain

Frankie Miller - Full House - 1977

Das Soulalbum unter den Rockalben! Fetter, ehrlicher Rocksound mitsamt Bläserarrangements, bei der Songauswahl kein einziger Ausfall und zu all dem die soulige Stimme von Frankie Miller. This love of mine würde gesanglich auch glatt als Otis Redding-Song durchgehen, und mit Take good care of yourself und der phantastischen John Lennon-Covernummer Jealous guy sind zwei weitere großartige, vor Verzweiflung triefende Soulstücke mit an Bord. Auch Searching ist herzzerreißend melancholisch. Der Rest hingegen ist bester Gute Laune-Rock, gleich zu Beginn gibt Be good to yourself hier die Marschrichtung vor, ergänzt vom Doodle Song und von Down the honkeytonk. Die durchgängige Qualität des Albums und der geniale Sound sind umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, was einem Herr Miller teils auf späteren Alben so beschert hat - das 1979-Album Falling in love ist bodenlos schlecht, mit dem Singlehit Darlin‘ als absolutem Tiefpunkt, und auch die 1980er-Jahre-Werke bleiben mit dem äratypischen, hardrock-angehauchten Sound weit hinter diesem Meisterstück zurück. [Jochen Praefcke]



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