"Ich kenn' ja nix von der, aber meine Freundinnen da hinten

würden echt gerne was von Helene Fischer hören."

Aus dem Alltag eines DJs -  Dezember 2017


Platte des Monats (2023)

Hier stelle ich in mehr oder weniger regelmäßig ein Schmuckstück aus meiner Sammlung vor. Wer bei den Kommentierungen zu den Platten weitestmögliche Objektivität erwartet, hat natürlich Pech gehabt. Ich bitte daher vorsichtshalber schon mal um Entschuldigung, sollte ich jemandes Lieblingskünstler unsachgemäß erwähnen. Ist fast nie ernst gemeint.

 

Unterstützt den lokalen Plattenhandel, z.B. das Plattenzimmer in Weingarten oder Isle of Records in Lindau.

 

Die Platten des Monats der Vorjahre gibt's  auf den separaten Archivseiten (siehe die entsprechenden Untermenüpunkte). 


Dezember 2023

Soulful - Old Funkies for Jazz Junkies

Liv N'Haight, LHLP 014, 1993

 

Wanted Blaxploitation

Wagram, 2021

Zwei Soul-Compliations der Extra-Klasse

 

Compilations gibt es wie Sand am Meer, und viele davon sind eher mau. Manchmal aber leisten die „Kuratoren“ solcher Compilations ganze Arbeit, und zwei ganz besonders starke Soul Compilations will ich Euch als Platten des Monats ans Herz legen. Den Anfang macht Soulful, eine Compilation von Instrumentals des Luv n’ Haight-Labels mit dem schönen Untertitel „Old funkies for jazz junkies“. Glücklicherweise ist die Platte aber bis auf einen Song relativ jazzfrei. Hört Euch Just keep on truckin’ von den Backyard Heavies, Soulful von den Apostels oder Slip the drummer one von Lunar Funk an. Wer dem jazz-artigen nicht gänzlich abgeneigt ist, dem gefällt sicher auch Darkuman Junktion von The Sons and Daughters of Lite. 

 

Die zweite Compilation heißt Wanted Blaxploitation aus der "Wanted - From Diggers to Music Lovers“-Reihe. Der Name und das Bild von Pam Grier auf dem Cover legen nahe, dass es sich um Soundtracks von Blaxploitation-Filmen handelt, tatsächlich ist das aber nur bei dreien der zwölf Songs der Fall, so z.B. bei Theme from Cleopatra Jones von Joe Simon mit dem ganz großen Show-Orchester im Hintergrund und einer besonders schön gurgelnden Orgel. Besonders groovy sind die Instrumentals Darkest Light von der Lafayette Afro Rock Band (und wieder: die Orgel ist vom Feinsten), Gettin’ down von Eugene Blacknell (und wieder: Oooorgelllll!) oder Love and Happiness von The Pharaos.

[Jochen Praefcke]



November 2023

Lee Moses, How much longer must I wait 

- Singles & Rarities  1965 to 1972 - 

2019, Future Day Recordings

 

 

Lee Moses

- How much longer must I wait? -

 

Es ist mal wieder rätselhaft: wie kann ein Soul-Sänger wie Lee Moses weitestgehend unbeachtet und kommerziell wenig erfolgreich bleiben, während z.B. Percy Sledge rauf- und runtergedudelt wird? Ich habe nicht wirklich was gegen Percy Sledge einzuwenden, aber sowohl stimmlich als auch songtechnisch bewegt sich der gute Lee in einer anderen Liga. Eben bei der Recherche erfahre ich erst, dass er auch Gitarrist war und dass er wohl auch eine wie auch immer geartete Verbindung zu Jimi Hendrix hatte. Ist aber alles vollkommen belanglos, denn wenn ich Lee Moses einfach nur singen höre, bleibt die Welt stehen. Am besten hört man sich das auf der Compilation „How much longer must I wait - Raritites & Singles 1965 to 1972“ an.  Das treibende Bad Girl ist mittlerweile relativ bekannt, doch bei langsamen Nummern wie You are too much for the human heart und If loving you is a crime (I’ll always be guilty) brechen alle Dämme und die Gänsehaut will gar nicht mehr weichen. Mit I’m sad about it ist sogar ein bluesiger Track dabei, sehr düster, sehr geil.

[Jochen Praefcke]



Oktober 2023

Ann Peebles, Straight from the heart

Hi-Records/Fat Possum, FPH1410-1 

 

 

Ann Peebles

- Straight from the heart (1971) -

Ann Peebles war neben Al Green vermutlich die erfolgreichste Musikerin bei Hi-Records. Ihr Album Straight from the Heart aus dem Jahre 1971 zeigt eindrucksvoll, woher dieser Erfolg kam. Von Labelchef Willie Mitchell produziert, mit der legendären Hausband Hi-Rhythm-Section eingespielt, dazu Ann Peebles großartige Stimme und gutes Songwriting: fertig ist die perfekte Soul-Platte voll von Herzschmerz, Liebe und Elend. Die Platte überzeugt mit den Uptempo-Nummern wie Slipped, tripped and fell in love und Somebody’s on your case. Aber so richtig intensiv  wird’s bei den langsamen Songs wie Trouble, heartaches & sadness - was ja an sich schon mal recht gut zusammenfasst, um was sich das Leben doch immer wieder dreht. Oder das höchstverzweifelte I've been there before. Der Mann ihrer Träume ist mit einer anderen zusammen - blöd genug, aber ausgerechnet mit ihrer besten Freundin. Menschenskind, wo sind bloß die Taschentücher, wenn man sie mal braucht.

[Jochen Praefcke]



August/September 2023

The Teskey Brothers, Half Mile Harvest

Decca Records, 2018

 

 

The Teskey Brothers

- Half Mile Harvest (2018) -

The Teskey Brothers sind eine australische Bluesrock-Band, doch auf Ihrem Debutalbum Half Mile Harvest von 2018 hält sich das Bluesgerocke in engen Grenzen. Stattdessen gibt es herzzerreißende Balladen der soulig-samtigen Sorte, meist im 3/4 bzw. 6/8-Schunkeltakt, was dann doch wieder bisschen weniger nach Soul und mehr nach Blues klingt. Hört Euch Crying Shame,  Say you’ll do  und Pain and Misery an. Ja, alle drei zum Verwechseln ähnlich, aber soooo viel Verzweiflung in der Stimme. Man beachte auch die filigrane Solo-Arbeit von Sam Teskey an der E-Gitarre und die Mundharmonika im dann doch sehr bluesigen Honeymoon. Kurzum: eine herrliche Mischung aus Bluesband und Soulstimme! Beim Probehören im Laden war es komplett um mich geschehen, nachdem Josh Teskey den ersten Ton gesungen hatte. Die Platte hat seitdem einen festen Platz in meiner "Soul'ish"-Kiste! Wem nach mehr "Soul'ish" zu mute ist, der höre hier rein.  

[Jochen Praefcke]



Juli 2023

Joe Tex, He who is without Funk can the first stone, 1978

T.K. Records, TKR 83359

 

 

 Joe Tex - He who is without Funk

cast the first stone (1978)

Der Preis für den biblischsten Plattentitel geht hiermit an Joe Tex für sein 1978er-Album He who is without Funk cast the first stone. Herrlich. Warum er allerdings auf dem Plattencover versucht, sich selbst und sein lustig verkleidetes Gefolge mit einen übergroßen Schaschlik-Spieß zu erstechen, bleibt unklar. Wikipedia weiß über Joe Tex, dass seine Lieder „einfach verständliche Soulsongs“ waren. Was soll ich sagen …  es stimmt! Sehr eindrucksvoll zeigt dies z.B. das sehr selbstsicher geratene „How do you spell relief“: 

 

"How do you spell ‚relief‘?   S - E - X

And who’s gonna give you ‚relief‘?   Mr. T - E - X“.

 

Was wiederum die Wahl des  Künstlernamens nachvollziehbar macht, denn Joe Tex reimt sich einfach besser auf Sex als Joseph Arrington Jr. Die Platte ist jedenfalls über weite Strecken ein Garant für gute Tanzlaune, insbesondere die erste Seite ist extrem stark. Neben dem bereits genannten, wenig subtilen „How do you spell relief“ finden sich hier auch noch „Loose caboose" und „Finger popped myself into the poor house", zu denen sich ganz hervorragend in Funky Disco Manier das Tanzbein schwingen lässt.  

[Jochen Praefcke]



Juni 2023

James  Brown, It's a New Day, so Let a Man Come in, 1970

Polydor, PD 1095

 

 

 James Brown - It's a New Day, so Let a Man Come in (1970)

Wenn man das Oeuvre des James Brown (nicht sonderlich fachmännisch) in Phasen einteilt, ergibt sich um 1970 herum ein Übergang von der schmuse-souligen Mr. Dynamite-Phase in die funkige (und irreführend betitelte) Godfather of Soul-Phase. Der 1967 mit Cold Sweat geborene Brown’sche Funk Sound wurde immer dominanter und löste Songs á la Try me oder Please, Please, Please ab - gut so, denn ehrlich gesagt gibt’s für Liedgut letzterer Art bessere Interpreten (rein subjektiv betrachtet, versteht sich). Sein 29. Studio-Album namens "It’s a New Day - So Let a Man Come in“ erschien 1970 und macht den Übergang mehr als deutlich. Letzte Ausläufer der alten Phase - If I ruled the world, Georgia on my mind und eine weitestgehend in Vergessenheit geratene Version von It’s a man’s (man’s man’s) world - gesellen sich zu Funk Grooves der Extraklasse: It's a New DayLet a Man Come In and Do the Popcorn, und Give It Up or Turn it a LooseMeine persönlichen Höhepunkte sind aber zwei geradezu dramatische Soul-Nummern, bei denen sich der Godfather nicht nur stimmlich auf seinem Höhepunkt zeigt, sondern auch psychologisch und politisch Stellung bezieht: The Man in the Glass und I'm Not Demanding. Die Band und das übergroße Arrangement der beiden Songs sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

 

 

[Jochen Praefcke]



April/Mai 2023

Roger Damawuzan, Seda, 2023

Hot Casa Records

 

 

 Roger Damawuzan - Seda (2023)

Ich musste unweigerlich an James Brown denken, als ich die 2023er-Platte Seda von Roger Damawuzan das erste Mal hörte. Und siehe da, das Internet kennt den Herrn als „James Brown of Lomé“ (Hauptstadt von Togo; für alle, die das wie ich bisher ignoranterweise nicht wussten). Ohne Übertreibung ist die Platte meine Lieblings-Persönliche-Neuentdeckung der letzten Jahre. Die Platte als „tanzbar" zu bezeichnen wäre maßlos untertrieben. Widerstand zwecklos trifft es eher. Spielfreude, Groove und geniale Musiker so weit die Ohren reichen. Und für die auto-philen unter uns gibt’s noch ’nen schönen Citroen 2CV auf dem Cover zu bestaunen. Zehn Lieder, zehn Volltreffer. Da kann ich bei den Anspieltipps fast den Zufallsgenerator entscheiden lassen (sucht Euch also gerne selber was aus). Der wichtigste Tipp: wenn Ihr nur eine Funk-Platte im Leben kaufen wollt, kauft DIESE. Wenn ich mal 70 Jahre alt bin, will ich auch ein solches Album aufnehmen. 

[Jochen Praefcke]



März 2023

Michael Kiwanuka, Love & Hate, 2016

Polydor

 

 

 Michael Kiwanuka - Love & Hate (2016)

Meine totale Radio-Abstinenz hat mich aufs Glatteis geführt: ich dachte, ich hätte da eine ganz besonders seltene Perle zu Tage gefördert. Dabei war das Album Love & Hate von Michael Kiwanuka 2016 doch tatsächlich auf Platz 1 der Charts auf dem Eiland formerly known as EU-Mitglied und auf Platz 4 in Deutschland. Verrückt. Wie auch immer, der Kerl und das Album haben ihren ganz eigenen, faszinierenden Vibe. Viele der Songs sind atmosphärische Juwelen, die einen tief in ihren Bann ziehen. Man braucht mitunter schon etwas Geduld, z.B. für das minutenlange, Pink Floyd-eske Intro zu Cold little heart. Man wird dann mit einem der herzerwärmendsten Grooves der letzten Jahre belohnt (für Ungeduldige: bei  04:30 fängt’s richtig an). Danach geht’s mit Black man in white a world nicht nur politisch brisant, sondern auch äußerst worldmusic-funky weiter. Und hört unbedingt in I’ll never love rein - ein wunderschönes und tieftrauriges Crossover-Meisterwerk. Sagen wir mal: Bon Iver trifft auf Soulmusik.

[Jochen Praefcke]



Februar 2023

Free Love, Free Love, 1979

Mad About Records/Emkay

 

 

 

 Free Love - Free Love (1979)

„Super rares Soul-Album. Das einzige Soul-Album, welches bei Emkay Records aus Los Angeles veröffentlicht wurde. Die Band wurde von Philip Westmoreland geleitet und stammte aus St. Louis“. So, das war’s. Das gesamte Internet weiß nicht viel mehr über die Band Free Love und ihr ebenso Free Love betiteltes Album von 1979. Auf welcher Seite man auch schaut, immer nur diese paar dürftigen Sätze. Der Name der Mitwirkenden ist natürlich auch noch bekannt, aber sonst: tote Hose. Wir müssen also die Musik für sich sprechen lassen. Nun hat das Album zugegebenermaßen Durchhänger, aber allein das sommerlich-lässig-funkige Pushin' to the top macht alles wett (auch wenn es nur knapp über 2 Minuten dauert). Außerdem sind zwei sehr legere Instrumentals zu hören, namentlich Pauls’s song und Snoot Suite. Außerdem seien Euch die gutlaunigen This ain’t living und I've been a good man zum Anhören empfohlen.

 

Unnötig zu erwähnen, dass es keinen der Songs auf YouTube gibt. Schaut bei Bandcamp rein, dort kann man alle Songs in voller Länge hören (und das Album kaufen).

[Jochen Praefcke]



Januar 2023

Dschinn, Dschinn, Bellaphon/Bacillus Records, 9669116

Pell Mell, Marburg,  Bellaphon/Bacillus Records

 

 

 Dschinn - Dschinn (1972)

Pell Mell - Marburg (1972)

Was haben die beiden Platten des Monats miteinander zu tun? Nun, die Bands Dschinn und Pell Mell sind beide (weniger geläufige) Vertreter des Krautrock-Genres, beide stammen zudem aus Marburg in Hessen, und beide Alben -  Dschinn (von Dschinn) und Marburg (von Pell Mell) -  wurden zudem 1972 veröffentlicht. Und beide Bands machen hervorragenden, atmosphärisch interessanten Psychedelic Rock. Die Anspieltipps sind wie folgt:

 

Von Dschinn:

  • Freedom
  • I wanna know
  • Smile of the devil
  • For your love - der Song mag dem ein oder anderen in einer Version der Yardbirds (damals mit Eric Clapton) bekannt sen

Von Pell Mell:

  • Moldau - originelle Version des Smash-Hits von Smetana
  • City Monster

[Jochen Praefcke]



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